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Die Welt der Moderne ist eine sehend verstehende Welt, eine Bezeichnung des Ab-Bildes. Bewegungen in dieser Umwelt werden als Generalisierung der eigenen Bewegung aus der Kraft des Körpers erachtet und als eine Welt der "Schocks und Schübe" kausal gewertet. Die Dominanz dieses Weltbildes führte auch zur dominanten Mediatisierung der körperlichen Bewegung in robotics und entsprechender embodiments in sprachbasierter Logik als künstlicher Intelligenz und hat daraus dieses mechanistische Weltbild überschritten. Das Anthropozän bezeichnet diese einseitig menschgemachte Kultur. Der Körper ist geblieben, jedoch der hedonische Körper, jener, der aus der erlebten Spannung durch Bewegung in der Umwelt sich bewegt zum Über-Leben – dies ist das Paradigma des phylogenetisch älteren Hörens, das in dieser mediatisierten Kultur "forward back" erneut lebensnotwendig wird. Bio-Semiotik gibt diesem natürlichen Wissen nun kulturelle Bedeutung.
Zugleich hat die Mediatisierung des Körpers zu Technologien geführt, die seine Bewegungen gezielt erfassen. Das Wissen um die Körper-Klang-Koppelung ermöglicht nun, die Bewegung direkt zum Klingen zu bringen. Abseits der Instrumentarisierung des Körpers wird der Körper selbst zum "Instrument". Gesteuert von seiner Erregung formt er Klang und kommuniziert diesen (abseits von Zeit und Raum) mit anderen Körpern. Damit entsteht erstmals eine nicht distinguierende Musik verschiedener Kulturen im Machtstreit, sondern eine verbindende Musik aller Körper, aller Menschen auf der Basis der dominanten Lebenskraft, der körperlichen Erregung formalisiert im Hören.
Die Zukunft wird klingend – sie "funktioniert" nach dem Paradigma des Hörens von Klang als Bewegung und der Erregung durch Bewegung sowie deren Kommunikation – sie ist damit eine Kultur auf der Natur der Körperlichkeit. Sie ist eine hedonische als humane digital culture. Darin bio-politisch demokratisch, verbindet Musik die Welt abseits des stereotypen Bildes der "Logik" einer gemeinsamen Sprache in einem Ur-Satz in der Gemeinsamkeit der Ur-Über-Lebenskraft des Körpers im Hedonischen – der Erregung.
Künste als Formalisierung der Wahrnehmung
Traditional arts können als kulturelle Formalisierungen der Spezifitäten der sensorisch körperlichen Wahrnehmung erachtet werden. Diese Spezifitäten sind Entwicklungen der Evolution, ihre Formalsierungen sind Instrumentarisierungen und Mediatisierungen. Vor allem das Sehen und das Hören können als extreme Ausformungen der Nah- bez. Fernsinne des Menschen betrachtet werden – sie unterscheiden sich grundsätzlich durch die Bewegung des Körpers in der "Aufnahme" von Umwelt, weiterhin durch die Ausbildung der Großhirnrinde und damit der Verarbeitung der Reize.
Sehen ermöglicht das Erfassen des psychologischen Momentes. Das Durchschreiten der Umwelt durch den Körper erzeugt eine Serie von Bildern (als Reflexionen des Lichtes an der Beschaffenheit) der Umwelt als Gesichtsfeld vor dem Körper. Kognitive Prozesse der Großhirnrinde ermöglichen die Bezeichnung des Gesehenen, vor dem der sehende Körper steht, und damit dessen "Ver-stehen". Das Bild formalisiert die Sicht des Momentes, der Film die bewegte Serie von Bildern. Beides an das Verstehen geknüpft bzw. durch ein "Ver-Stehen" willentlich geformt. Im narrativen Film dient der Klang funktional der Strukturierung und emotionalen Aufladung, aber bereits die frühe Video Art bringt die Dynamisierung des Bildes nach dem Paradigma des Hörens in die selbst nicht klingende mediatisierte Bild-Welt (Jauk 2006).
Das Hören ist die Wahrnehmung der von Schall verursachten Bewegung rund um den unbewegten Körper. Dabei ist Schall nur in der Zeit und primär “abstrakt“ wahrnehmbar (Carmiaux 2011). Die konkrete Bezeichnung (signifying) als Zuweisung zu einer Ursache ist Folge von zuvor unmittelbar oder mittelbar gemachter visueller Wahrnehmung oder deren "Erzählung" als Kognition. Dennoch hat der Klang Bedeutung, nämlich als Bedeutung für den Körper: Klang als Bewegung erzeugt Erregung, die wiederum den Körper in Bewegung versetzt (zu dessen Überleben). Die Bio-Semiotik bezeichnet dies als animal semiosis (Kull 2009). Die Instrumentarisierung dieser performativen Bewegung ermöglicht das Musizieren, ihre Mediatisierung formalisiert sie in Musik. Was zuerst durch ihre mediatisierende Verschriftlichung in Musik vom Körper entfernt wurde, ist heute durch körpernahe Medientechnologien un-mediated gestalt- und erlebbare Sound-Dynamik. Weiterhin ist sie adäquate kulturelle Wahrnehmungsform in mediatisierten Welten (Jauk 2013).
Die Transgression des Mechanistischen – das Hedonische mediatisierter Lebensformen am Paradigma des Musizierens
Die moderne Kultur des verstehenden Sehens und des mechanischen Bewegens des Körpers hat primär diese Funktionen der Wahrnehmung mediatisiert. Darin spiegelt sich das einseitige Verständnis von Wahrnehmung als kognitiver Prozess (des Sehens) und die Interaktion mit der Umwelt als körperlich mechanische Bewegung. Deren Mediatisierung führte zur Extension des Menschen und damit zur Erschaffung visueller Denkformen von Umwelt und zur Extension seiner mechanischen Fertigkeiten in robotics. Schließlich machte diese Einseitigkeit den (mechanischen) Körper "unnütz" (Baudrillard 1981). Sie führte darüber hinaus zur Denkform "Machbarkeit" nicht nur sozialer, sondern auch physischer Welten abseits naturgegebener Einschränkungen und weiterhin zum Anthropozän.
Somit führte die Mediatisierung – vor allem durch die Dynamisierung und die Virtualisierung der Umwelt – zur Transgression des mechanistischen Systems und zur Überschreitung auch der durch die körperliche Interaktion des Menschen mit der physischen Umwelt entstandenen embodiments, welche die "Sicht"-Weise als in Sprache formalisierte Denkweise über die Umwelt bestimmen (Jauk 2009). Die Beachtung des Hörens als höchst entwickelter Fern-Sinn kommt nicht nur der Forderung des complete agent nahe (Maturana 1987), das Hören erweist sich nun als adäquate Interaktionsform (Jauk 2009). Der hörende Körper nimmt "Bewegungen" in der Umwelt wahr, er "interpretiert" sie nicht mechanisch bezeichnend "rational", sondern nimmt sie als Bedeutung für den Körper als Erregung wahr. Damit ist Hören das Paradigma intentionaler Körper-Umwelt-Interaktion (Gibson 1982). Wahrnehmung ist damit körperliche Handlung nach der Intention im ursprünglichen Sinne der "Spannung" des Körpers aufgrund der Bewegung in der Umwelt. Erst in der Aufklärung wurde In-tention von Spannung zur Ab-"Sicht" (Mauthner 1923) und damit zur kognitiven Entscheidung über "Dinge" und ihr "Verhalten", derer sich nun mediatisierte Welten durch die Mediatisierung des mechanischen Körpers und damit von Denkweisen aus deren embodiments entziehen. In der "all-at-onceness" (McLuhan 1995) mediatisierter Welten nimmt der hörende Körper "Bewegungen" nach ihren Bedeutungen für den Körper wahr und kommuniziert diese Bedeutung wiederum körperlich – Wahrnehmung in dynamisiert virtualisierten Welten des mediatisierten mechanischen Körpers,seiner embodiments und der daraus entstehenden Denkweisen folgt adäquaterweise dem hörenden Zusammen-Spiel.
Sound-gesture – Wahrnehmung als intentionale Körper-Umwelt-Interaktion
Dabei ist das Konzept sound-gesture zentral: Schall ist Artefakt von Bewegung in der Umwelt. Der Körper nimmt Schall und seine Modulationen als Imagination von Bewegung rund um ihn wahr, die ihn in Erregung versetzt und dadurch bewegt (Jauk 2014, 19, 21). Diese Bewegung aus Erregung ist unmittelbar kommunikativ durch "emotional contagion" (Hatfield 1994). Das Erleben von bewegten Körpern versetzt andere Körper in synchrone Bewegung. Dabei werden allgemein mittlere Erregungen als angenehm erlebt, zu hohe und zu niedrige Erregung werden allmählich vermieden, um ein Mittelmaß zu erreichen (Berlyne 1973), das phylogenetisch das Über-Leben sichert. "Emotional contagion" verstärkt dieses Verhalten als gemeinsames.
See and hear, "touch the sound"
See and hear, "touch the sound" Ars Electonica 2015
e-mot-ivat-ion - Feeling the Ex-Tension
e-mot-ivat-ion - Feeling the Ex-Tension, Ars Electronica 2017
Dabei werden allgemein mittlere Erregungen als angenehm erlebt, zu hohe und zu niedrige Erregung werden allmählich vermieden, um ein Mittelmaß zu erreichen (Berlyne 1973), das phylogenetisch das Über-Leben sichert. "Emotional contagion" verstärkt dieses Verhalten als gemeinsames.
Die Imagination von Bewegung von Schall beruht neben der Links-rechts-Wahrnehmung durch die beiden Ohren auf der Wahrnehmung von Modulationen durch die Entfernung und damit zeitlichen Veränderungen des Klanges innerhalb des psychologischen Moments als räumliche Tiefenwahrnehmung. Die Höhenwahrnehmung ist als konzeptuelle Metapher (Lakoff 1993) der Gravitation zu interpretieren (Jauk 2014, 19, 21). Hohe Klänge werden als "dicht" und "klein" (Stevens 1965)und daher als "oben", tiefe Klänge als "diffus" und "voluminös" (Stevens 1965) und daher als "unten" befindlich wahrgenommen (Jauk 2014, 19, 21). Obwohl sich Klang selbst der wahrnehmbaren Gravitation entzieht, wird dieses basale Körperwissen als Konzept auf die Klangwahrnehmung übertragen.
Die Kenntnis des Zusammenspiels von Parametern des Klanges und der Erregung, weiterhin gar der emotionalen Einschätzung erlauben nun, eine Zusammenführung und damit Simulation der Wahrnehmung des Bewegungs-Erregungs-Klanges – ohne physische Spatialisierung des Klanges selbst allein durch die Modulation des Klanges (Jauk 2018) sowie zum unmittelbaren körperlichen Musizieren (Jauk 2016, 19, 21).
See me, feel me, touch me ...
hear me & heal me ...
See me, feel me, touch me ... hear me & heal me ... Ars Electronica 2021
Sie ermöglicht auch die emotionale Interaktion mit Materialien, die Erzeugung psychologischer Qualitäten von Räumen aus der Erkennung der Bewegungen von Menschen in (auch öffentlichen) Räumen für deren psychohygienische Optimierung, für die Schaffung eines iHome (Jauk 2015, 16)
Die emotionale Kommunikation der intentionalen Körper abseits Zeit und Raum
Nun sind es technische Extensionen des Menschen, die abseits von sprachlicher Vermittlung Körperlichkeit direkt ermöglichen und eine gemeinsame Soundwelt aus den Bewegungen der PartizipentInnen dynamisch gestalten. Motion-tracking (welcher technischen Form auch immer) ist dabei die vermittelnde "Technik" als psychophysisches Interface. Dabei geht es nicht um die Erfassung von (mechanischer) Bewegung, sondern jener Bewegung, die bestimmte Formen von Erregung indizieren. Das Interface dabei ist die Empirie des Bezugs von Bewegung und Klang durch Erregung. Motion-tracking erlaubt die Konvertierung von körperlicher Spannung und Lösung in Klang als soziale Interaktion im Hier und Jetzt aber auch abseits von Zeit und Raum. Die Speicherung/Übertragung von Körper-Klang als Stimmungsqualität von PartnerInnen in den eigenen Umraum schafft "emotionale Nähe trotz physischer Distanz" (Jauk et al. 2021). Es erlaubt auch emotionale Interaktion mit Materialien, die Generierung von psychischen Qualitäten von Räumen aus dem Erkennen von Bewegungen von Akteur:innen zu deren psychohygienischer Optimierung, zur Schaffung eines iHome (Jauk 2015, 16).
iHome
iHome,Ars Electronica 2015
Das Musizieren der in-tention-alen Körper – eine emo-politische Syn-Biosis kultureller Körper
Was sich im bürgerlichen Konzertbetrieb auf gemeinsames Erleben kultureller Besonderheiten beschränkte, kommt nun in den Alltag.
Die Verfügbarkeit [von Technologien] bringt diese Interaktions- und Gestaltungsformen in einen "new amateurism" (Prior 2010) von/für EVERY BODY (Jauk 2019, 21). Musik der bürgerlichen politischen Emanzipation machte Haus-Musik zum Macht-"Spiel", indem sie orchestrale "Werk"-Musik der Hoheiten über den Klavierauszug erlernbar machte und über das Klavier als Masseninstrument im Salon zum Klingen brachte. In Populärer Musik brachte die Gitarre und das hörende Nachspielen von gespeicherter Musik in Symbiose mit politischer Verbindung zu deren politisch unterdrückten Ur-Schöpfern ein Wir-Gefühl. Die deutsche Übersetzung des Begriffs populär wurde jedoch ob des distinguierenden Gebrauchs im Deutschen Reich vermieden. Elektronische und digitale Musik verlässt gänzlich die Idee der Einzigartigkeit des Werkes und seiner (auch enteignenden) politischen Herkunft (Eco 1985) und wird zum dynamischen Musizieren eines emotional bewegten acoustic-driving und damit zur world-wide-"Volks"-Musik. Sie besteht ohne Vor-Schrift, Dirigat oder auch ohne "master" einer nicht selbst-mitbestimmten Ceremony (da letztlich doch als kulturbedingter Event autokratisch inszeniert), ohne KI als eine künstliche Initiation – weniger intelligent als emotional (Jauk 2019b). Sie ist darin nicht distinguierend, sondern gemeinsam auf der Basis allgemeiner Körperlichkeit des Menschen kulturunabhängig – sie lebt eine Bio-Politik der Demokratie, einzeln gemeinsam, ohne Zeit und Raum.
Eine auditory culture (2019a), formalisiert im körperlichen Musizieren, ist das lebbare Paradigma einer Kultur aus der Natur aus den Bedürfnissen des Über-Lebens der Körper. Sie ist damit eine Kultur der Überwindung der Natur durch den Willen der Mächte, formalisiert in Sprache und damit eine Kultur der Überwindung der Konstruktion von "Wirklichkeit", die aus der Dominanz der Einseitigkeit des Sehens und der Bezeichnung des Gesehenen als "verstanden" gedacht wird.
Damit ist die Zukunft klingend. Nicht bloß ob des Zusammen-setzens/Com-Ponere von digitalen Verarbeitungen des Materials Klang abseits von kulturellen Regeln, sondern ob einer Dynamik völlig abseits von kulturellen Vorstellungen erdachter materieller Formungen. Die Zukunft ist eine Formung von Klang aus der Spannung des Körpers und seiner davon hervorgebrachten Bewegung und der Mit-Bewegung anderer Körper. Sie ist eine Syn-Biosis, die allen menschlichen Körpern eigen ist – unterschiedlicher kultureller Herkunft.
Werner Jauk
Werner Jauk ist Leiter des Ars Electronica Research Institute "auditory culture". Er promovierte in Psychologie (Musikalische Kybernetik, Informationstheorie und Ästhetik, Musikwahrnehmung & KI), absolvierte Früh- und Habilitationsstudien (Jazzgitarre, Computermusik) an der KUG-Graz und am IRCAM-Paris und habilitierte sich in Musikwissenschaft (Pop / Musik & Medien / Kunst) mit dem Schwerpunkt auf auditiver Wahrnehmung und ihren Vermittlungen als kulturelle Prozesse der Entstehung von Musik- und Medienkulturen. Seine interdisziplinäre wissenschaftliche Forschung wurde in wissenschaftlichen Monographien, Journalen und Kongressbeiträgen veröffentlicht (C https://homepage.uni-graz.at/de/werner.jauk/publikationen/); Forschungsprojekte zwischen Wissenschaft und Kunst sind Teil von Medienkunstfestivals (von ICMWT International conference on Mobile & Wireless Technology Beijing, ETH - Zürich, InstituteNewMedia - Frankfurt, CyNET-art - Dresden, Styrian Autumn & Liquid music - Styria, Biennale di Venezia Architettura et Music bis Ars Electronica etc.) Diese interdisziplinäre Forschungs- und Multi-Media-Art Vortragstätigkeit an EU-Universitäten führte schließlich zur Etablierung des Studienschwerpunktes "Popmusik und Medienkultur" in den interuniversitären MA-Studien "Musikwissenschaft" an KUG und KFUG und zur Einrichtung eines transmedialen Forschungsinstituts AERI- "auditory culture" an der Ars Electronica. https://aeri-auditoryculture.at/
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