IKO: 3D-Lautsprechersystem am Papier, künstlerisches Instrument in der Praxis

Ob hängend von einem Kirchenturm als tickende Modernist Anticlock, als Teil eines immersiven Klangerlebnisses in Archäologischen Schutzbauten oder als Werkzeug, das Kompositionen als Skulpturen zu interpretieren vermag – IKO, das weltweit kompakteste Lautsprechersystem, das auf der 3D Audiotechnologie Higher Order Ambisonics aufbaut, hinterlässt international einen bleibenden Eindruck.

Ralf Baumgartner Ralf Baumgartner
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Immersive Höreindrücke mit einem einzigen Klangkörper

Der Name IKO leitet sich von „Ikosaeder“ (altgr. eikosáedros „zwanzigfach“) ab. Aus technischer Sicht ist IKO ein sogenannter platonischer Körper mit 20 gleichen Flächen in die jeweils ein 6“ großer Breitbandlautsprecher integriert sind.

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IKO – 3D Audio Speaker by IEM & sonible

Die individuelle Ansteuerung der Lautsprecher und komplexe Algorithmen erlauben es, gezielt Schallstrahlen (Beams) in jede beliebige Raumrichtung zu senden. Dieses Beamforming wird durch das Higher-Order-Ambisonics-Verfahren möglich. Über Wand-, Boden- und Deckenreflexionen spannt IKO einen Klangraum auf, der das Publikum mitten ins mediale und künstlerische Geschehen zieht. Somit ist es möglich, immersive Höreindrücke mit einem einzigen Klangkörper zu erzeugen.

Neue Möglichkeiten für die Kunst

Doch bei IKO ist die ausgeklügelte Technik bei weitem nicht das Einzige, was das 3D-Lautsprechersystem auszeichnet. Aufgrund seiner Kompaktheit können mit dem System immersive Klangwelten an jedem beliebigen Ort kreiert werden. Mit IKO ist es möglich, die Eigenschaften eines Lautsprechers zu verändern anstatt Klang lediglich zu reproduzieren. Diese Flexibilität inspiriert Klangkünstler*innen zu ganz neuen Werken – vor allem, wenn in ihren Arbeiten Raum und Klang untrennbar zusammenspielen.

IKO: Modernist Anticlock, Steffen-Krebber

IKO: ArtPublic Chur, Luca Sisera und Patrick Müller

IKO verlangt es, sich im künstlerischen Kontext mit neuen Möglichkeiten und Faktoren auseinanderzusetzen, damit sein volles Potenzial ausgeschöpft werden kann. Diese Herausforderungen nehmen Künstler*innen und Komponist*innen wie Gerriet Sharma, Angela McArthur, Steffen Krebber, Nicolas Buzzi, Carlos Casas und viele weitere gerne an: Sie nutzen IKO als Instrument, komponieren immer wieder spezifische Werke, kreieren neue Raum-Klang-Kontexte und nutzen die akustische Beweglichkeit, die IKO mit sich bringt, um ein internationales Publikum in einen immersiven Bann zu ziehen.

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The IKO Story – Gerriet K. Sharma

Betrachtet man seine Entstehungsgeschichte, wurde IKO dieser ausgeprägte künstlerische Aspekt quasi schon in die Wiege gelegt.

Wissenschaftliche Arbeit als Grundstein

Univ. Prof. Franz Zotter, Universitätsdozent für Akustik und Audiotechnik am Institut für Elektronische Musik und Akustik (IEM) der Kunstuniversität Graz, baute im Rahmen seiner Dissertation bereits im Jahr 2006 den ersten IKO-Prototypen.

Die theoretische Seite seiner Dissertation umfasste die Forschung, inwieweit mit elektroakustischen Mitteln, im konkreten Fall mit einem kompakten Lautsprechersystemen, die Richtcharakteristik von natürlichen Instrumenten wiedergegeben werden kann. Schon vor rund 40 Jahren wurde höchst aufwendig die Richtcharakteristik von natürlichen Instrumenten vermessen und untersucht. Franz Zotter strebte mit seiner Dissertation den nächsten Schritt an: die Reproduktion. Dabei nutzte er zur mathematischen Beschreibung der Problemstellung vor allem Kugelkoordinaten, sphärische harmonische und dazugehörige radiale Ausbreitungsterme – kurz Ambisonics.

Wie sich herausstellte, ist eine so detaillierte Reproduktion jedoch nur näherungsweise möglich, da die Abstrahlcharakteristiken von natürlichen Instrumenten deutlich komplexer sind als das, was wir aufgrund physikalischer Gegebenheiten derzeit mit Lautsprechersystemen wiedergeben können.

Zu diesem Zeitpunkt hielt Ambisonics gerade in der Musikproduktion Einzug. Die ersten Lautsprecherkuppeln wurden in Betrieb genommen und erste Kompositionen entstanden. Das mitunter revolutionäre an der Idee des IKO war im Vergleich dazu, ein Lautsprechersystem zur Verfügung zu haben, das eine mobile, quasi inside-out Variante einer Lautsprecherkuppel darstellt.

Nachhaltige Verbindung und gemeinsame Begeisterung

Ralf Baumgartner, Peter Sciri und Alexander Wankhammer, die Gründer von sonible, und Daniel Hojka, Hardware-Spezialist bei sonible, lernten sich bereits im Studium „Toningenieur“ kennen, das als gemeinsamer Studiengang der Technischen Universität Graz und der Kunstuniversität Graz angeboten wurde. Ihre Verbindungen innerhalb der universitären Strukturen und die gemeinsame Begeisterung dafür, neue Ideen in konkrete Lösungen umzuwandeln, führte dazu, dass die vier mit Franz Zotter intensiv an der Marktreife von IKO arbeiteten. Hinzu kam, dass sonible parallel mit dem d:24, einen höchst signaltreuen Mehrkanalverstärker auf den Markt brachten, der sich als ideale Ergänzung für das IKO-Lautsprechersystem herausstellte.

Die Zusammenarbeit rund um IKO zwischen der Kunstuniversität und sonible besteht noch heute: sonible übernimmt die weltweite Vermarktung, fertigt jeden IKO nach wie vor in Handarbeit und berät bei technischen Fragen potenzielle sowie langjährige IKO-Besitzer*innen und Künstler*innen. Das Institut für elektronische Musik und Akustik (IEM) vermisst im Rahmen der Partnerschaft jeden IKO individuell mittels Laservibrometrie und stellt dabei nicht nur sicher, dass jedes IKO-System den hohen Qualitätsanforderungen entspricht, sondern begleitet so auch weiterhin die stetige Weiterentwicklung des IKO.

In IKO stecken damit mehr als 10 Jahre naturwissenschaftliche Forschung von Franz Zotter, Jahre an künstlerischer Forschung von Gerriet Sharma und anderen, sowie das geballte Know-how von sonible. Selbst in Zeiten, in denen sich die Entwicklungen im Bereich Ambisonics überschlagen, übt IKO nach wie vor eine immense Faszination aus – auf Zuhörer*innen und Klangkünstler*innen gleichermaßen.

Ralf Baumgartner

Ralf Baumgartner schloss sein Studium Elektrotechnik-Toningenieur an der Kunstuniversität, Graz mit einer Spezialisierung auf Akustik und Signalverarbeitung im Jahr 2011 ab. Neben Lehraufträgen an der TH Deggendorf und der Kunstuniversität Graz und diversen Engagements als Vortragender zum Thema Beschallungstechnik, war er auch jahrelang als Ton- und Systemtechniker tätig. Gemeinsam mit zwei Studienkollegen gründete Ralf Baumgartner im Jahr 2013 die sonible GmbH. Das Unternehmen ist international bekannt als Marktführer bei der Entwicklung von Software mit künstlicher Intelligenz zur Audionachbearbeitung, stellt hochwertige Audio-Hardware her und plant komplexe 3D-Audioinstallationen.

Originalsprache: Deutsch
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